Studienstufe am Gymnasium? Schülerinnen berichten von ihren Erfahrungen

Sie verließen die Gretel-Bergmann-Schule Richtung Gymnasium. Nach einem Jahr kehrten sie zurück. Nein, nicht reumütig, aber mit reichlich Erkenntnissen. Zwei Schülerinnen aus der 12c berichten über ihre Erfahrungen und die Motive von Wechsel und Rückkehr.

Darya (18) und Ferweh (19) sind glücklich. Sie sind im Profil Kunst und Religion. Schulisch läuft es gerade bei beiden. Darüber hinaus fühlen sie sich in der Studienstufe der Gretel pudelwohl, kommen jeden Tag gerne zur Schule. Die Gretel kennen sie in- und auswendig, sie haben seit ihrer „Einschulung“ in die fünfte Klasse ihre gesamte Mittelstufe hier verbracht.

Der Bruch kam vor zwei Jahren in Jahrgang 11 sagen sie. Corona, fast ausschließlich Online-Unterricht, Irritationen hinsichtlich Erwartungen, Niveau und angestrebten Abschluss. Freundinnen erzählen von den Bedingungen auf einem Gymnasium im Bezirk. Diese erscheinen ihnen klarer, vielfältiger und vielleicht auch komfortabler. Abitur in den Fächern, die sie ohnehin mögen und in denen gute Noten zu erwarten sind.

Beide bemühen sich dann erfolgreich um einen Wechsel nach Klassenstufe 11 auf dem Gymnasium. Logisch, denn die Studienstufe auf Hamburger Gymnasien besteht nur aus Klassenstufe 11 und 12. G8 nennt sich das Modell, Abitur nach acht Jahren auf einer weiterführenden Schule. Stadtteilschulen fahren hingegen das G9-Modell. Sie geben ihren Schüler:innen somit ein Jahr mehr Zeit, um das Abitur zu erlangen.

Darya und Ferweh kommen in der Studienstufe des Gymnasiums schnell in Schwierigkeiten. Deutlich sei ein Niveauunterschied spürbar gewesen, so Darya. „Die hatten einfach mehr drauf als wir.“ Die Hoffnung, dass sie motiviert werden, dass ihnen Hilfe angeboten würde, um die Lücken zu schließen, erfüllte sich aber nicht. Darya und Ferweh merkten schnell, dass der Zug zum Abitur auf dem Gymnasium nonstop und mit Höchsttempo fährt. Passagiere, die zurückbleiben, bleiben zurück. Lerne und liefere - oder lass es.

Was dem Gymnasium fehlt, so beide unisono, seien vor allem Verständnis und Zuwendung seitens der Lehrerinnen und Lehrer. „Sie waren für uns Schüler unerreichbar, fremd und nur auf das Fachliche bezogen“, so Ferweh. Verständnisfragen wurden ignoriert. Man müsse das selbst nacharbeiten, hieß es. Lob, Zuspruch und Motivation seitens der Lehrer:innen? Fehlanzeige. Eine funktionierende Beziehung zwischen Schüler und Lehrer, so wie auf der Gretel, entstünde auf dem Gymnasium nicht, so Darya. Ein rein menschliches Interesse am Schüler habe sie gar nicht erfahren.

Was die beiden an der Stadtteilschule, im Besonderen an „ihrer“ Gretel schätzen, formulieren sie ohne großes Nachdenken eindeutig: die Kommunikation mit den Tutoren und Fachkollegen ist top. Immer kann man mit Hilfe und Unterstützung rechnen, sei es fachlich oder in den sozialen Bereichen.

Der Unterricht auf der Gretel sei durch Interaktion bestimmt und kein Frontalvortrag zum Anhäufen von Wissen. Sachverhalte würden in der Studienstufe der Gretel methodisch vielfältig erarbeitet und vermittelt, zum Beispiel durch viel Praxisbezug und Teamplaying. Das helfe dem Verständnis. Beide sind jedenfalls glücklich, zum richtigen Zeitpunkt den Schritt zurück gemacht zu haben, der eigentlich einer vorwärts sei. Denn die Erfahrungen helfen ihnen auf ihrem Weg zum Bildungsziel Abitur – auf einer Stadtteilschule, auf ihrer Gretel.

 

Info

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen einem Abitur auf einem Gymnasium du einer Stadtteilschule?

Nein. Das Abitur auf einer Stadtteilschule und einem Gymnasium sind gleichwertig. Die Bildungspläne der Studienstufe (auf einem Gymnasium die Klassenstufen 11/12, auf einer Stadtteilschule 12/13) sind identisch, die Abiturprüfungen in allen Fächern sind identisch, die Zeugnisköpfe am Ende sind identisch – sie weisen den höchsten allgemeinbildenden Abschluss aus: das Abitur bzw. die Fachhochschulreife.

Einziger, aber nicht unerheblicher Unterschied: Auf dem Gymnasium „bauen“ die Schüler:innen ihr Abi bereits nach zwölf Schuljahren. Die Stadtteilschulen geben ihren Schüler:innen dafür ein Jahr mehr Zeit. Die elfte Klasse schafft auf den Stadtteilschulen den Raum für persönliche und schulische Entwicklung.