Am Geburtstag von Gretel Bergmann, unserer Namensgeberin, stand auch in diesem Jahr nicht das Feiern im Vordergrund, sondern das Handeln. Unsere Schülerinnen und Schüler (SuS) reinigten Stolpersteine im Grindelviertel – und das mit großem Respekt, Ernsthaftigkeit und echtem Engagement. Besonders berührend war, mit wie viel Verantwortung sich gerade jene Jugendlichen einbrachten, die sozialem Engagement sonst eher skeptisch begegnen.
Im Vorfeld hatten einige Eltern geäußert, dass die Aktion vielleicht wiederholt oder für die SuS langweilig sei. Doch wir erklärten, dass dieser Thementag ein besonderer Tag ist – ein Tag, der der Erinnerung, der Empathie und der gelebten Antidiskriminierung gewidmet ist. Unsere Schule trägt den Namen Gretel Bergmanns – einer jüdischen Sportlerin, die zur Zeit des Nationalsozialismus trotz großer Erfolge ausgegrenzt und gedemütigt wurde. Ihre Geschichte ist Mahnung und Vorbild zugleich.
Die Reaktionen auf unsere Aktion haben uns alle bewegt: Passant:innen blieben stehen, erkundigten sich, machten Fotos, erzählten von den Menschen, die einst an diesen Orten gelebt hatten. In der Dillststraße brachte eine Bewohnerin des Hauses Nr. 12, Inge Mandos, Wasser und Süßigkeiten und sprach über eine Stunde lang mit unseren SuS. Es entstand ein lebendiger Raum des Erinnerns, voller Begegnung und Menschlichkeit.
Am Ende des Tages fragten wir unsere Klasse, was sie aus dieser Erfahrung mitnehmen. Die Antworten waren vielfältig – und doch lässt sich ihre Botschaft in einem Satz zusammenfassen:
Unsere Schule trägt ihren Namen – und jedes Jahr feiern wir Gretel Bergmanns Geburtstag mit Taten, die unser soziales Engagement zeigen. Heute haben wir verstanden, dass hinter jedem Stolperstein ein echtes Leben, ein Schicksal und ein Schmerz stehen – so wie bei Gretel Bergmann, die trotz Ausgrenzung und Unrecht nie aufgegeben hat. Es ist unsere Aufgabe, ihre Geschichte und die vieler anderer lebendig zu halten.
Erinnern mit Herz und Haltung.
Milana Nudelmann, Sigrid Holldack und ihre 8f
Frau Mandos, mehr als nur Nachbarin – ein Nachtrag von Sigrid Holdack
Als die SuS die Stolpersteine vor dem Haus der Dillstr. 15 putzten, kam eine Dame heraus, die unseren SuS eine Menge über das Haus und das jüdische Leben im Grindelviertel erzählen konnte. Ihr Name ist Inge Mandos, geboren 1950, ehemalige Lehrerin der Ida-Ehre Schule.
Frau Mandos ist keine Jüdin, war aber mit einem Juden verheiratet und wohnt seit 40 Jahren in der Dillstr. 15. Sie singt jiddische Lieder (www.ingemandos.de) und leitet mit einer weiteren Dame die Salomo-Birnbaum-Gesellschaft für Jiddisch e.V. in Hamburg, welche sich mit jiddischer Sprache, Musik und Kultur beschäftigt. Sie ist eine sehr sympathische und kontaktfreudige Dame und offensichtlich bestens vernetzt in der jüdischen Gemeinde Hamburgs.
Frau Mandos und der jüdischen Gemeinde ist es ein großes Anliegen, dass Juden nicht nur als Holocaust-Opfer wahrgenommen werden, sondern als unsere Mitmenschen und dass das alltägliche jüdische Leben mit seiner Kultur kennen und verstehen gelernt wird. So sagte sie, könne man unter "rent a jew" Juden einladen, z.B. in eine Klasse, um mehr über den jüdischen Glauben zu erfahren.
Auch konnte sie viel zu ihrem Wohnhaus sagen, der Dillstr. 15, das einer Stiftung gehört und von dem aus früher jüdische Kinder in den Tod geschickt wurden. Einmal kam die Enkelin einer Großmutter, die dort gewohnt hatte. Frau Mandos schenkte ihr einen Wasserhahn aus dem Haus, der noch aus der damaligen Zeit stammte.